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KMK-Empfehlung


Die Veröffentlichung einer Empfehlung zu Verkehrserziehung der Kultusministerkonferenz im Jahr 1972 führte zu einem Wandel der traditionellen Verkehrserziehungskonzepten. Zuvor waren diese stark auf die Straßenverkehrsordnung ausgelegt. Insbesondere soziale Kompetenzen, wie Einfühlungsvermögen, Rücksichtnahme und Kooperation, rückten in den Fokus (KMK 1972). 1994 wurde die Empfehlung um umwelt- und gesundheitsbezogene Ziele (KMK 1994), sowie 2012 um zukunftsfähige Mobilität erweitert. 2012 wird erstmals der Begriff Mobilitätsbildung ergänzend zur Verkehrserziehung verwendet (KMK 2012). Die Empfehlung zur Mobilitäts- und Verkehrserziehung in der Schule stellt Mobilitäts- und Verkehrserziehung als übergreifende Bildungs- und Erziehungsaufgabe der Schulen, außerschulischen Institutionen und Eltern dar.

„Sie umfasst Aspekte von Sicherheitserziehung und Sozialerziehung sowie von Umweltbildung und Gesundheitsförderung für eine verantwortungsvolle Teilnahme am Straßenverkehr. Sie setzt sich zudem mit Fragen einer zukunftsfähigen Mobilität als Teil einer Bildung für nachhaltige Entwicklung auseinander“ (KMK 2012: 2).

Die Ziele lassen sich in folgende Bereiche einteilen:

  • Zukunftsfähige Mobilität
  • Selbstständige Mobilität
  • Sichere Mobilität
  • Sozialkompetenz
  • Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein
  • Verkehrsraumgestaltung

 

Umsetzung in den Bundesländern

Ausführliche Konzepte wie in Niedersachsen oder Berlin belegen den Willen zur Veränderung, zeigen jedoch auch die Schwierigkeiten auf. Niedersachsen reagierte mit dem Curriculum Mobilität als einziges Bundesland umfassend auf die Reform der KMK-Empfehlung von 1994. Das Curriculum Mobilität behandelt in zehn Bausteinen die Facetten Soziales, Ökologie, Ökonomie und Kultur in Bezug auf Mobilität. Angelehnt ist das Curriculum an die Konzepte Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Das Curriculum wird in Fachkreisen positiv bewertet, die Umsetzung wird jedoch kritisch betrachtet. Es fehlt an Verbindlichkeit bei der Umsetzung und an Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte, sowie Unterstützung von seitens der Schulbehörden und außerschulischen Partner*innen (vgl. Schwedes 2021: 31). Per Erlass festgelegt, ist für die Grundschule noch die Radfahrausbildung im Umfang von 12 Stunden (Deutsche Verkehrswacht Niedersachsen).

Die fehlende Verbindlichkeit stellt in den meisten Bundesländern ein Problem dar. In Berlin und Brandenburg gibt es mit dem Orientierungs- und Handlungsrahmen für das übergreifende Thema Mobilitätsbildung und Verkehrserziehungsowie der Handreichung für das übergreifende Thema Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung umfangreiche Empfehlungen und Informationen zur Verfügung, jedoch ohne ausreichende Verbindlichkeit. Nach der Grundschulverordnung ist Verkehrs- und Mobilitätserziehung Teil des schulischen Unterrichts- und Erziehungsauftrags, jedoch sind nur 10 Stunden pro Jahrgangsstufe verpflichtend. In Jahrgangsstufe 4 ist zudem die Radfahrprüfung vorgeschrieben (vgl. GsVO § 13). Im Berliner Mobilitätsgesetz von 2018 (Änderungsgesetz 2021) ist zudem Mobilitätsbildung sowie schulisches Mobilitätsmanagement verankert:

  • „Ziel ist es, alle Bewohnerinnen und Bewohner Berlins durch Angebote der Mobilitätsbildung dazu zu befähigen, ihre Mobilitätsbedürfnisse sicher, verantwortungsbewusst, selbstbestimmt, stadt-, umwelt- sowie klimaverträglich ausgestalten zu können“ (vgl. MobG BE § 11a).
  • „(2) Die für Bildung zuständige Senatsverwaltung entwickelt gemeinsam mit der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung und in Abstimmung mit den Bezirken ein umsetzungsbezogenes Konzept. Das Konzept definiert unter anderem Unterrichtsinhalte, Öffentlichkeitsarbeit und Maßnahmen zur Veränderung des Mobilitätsverhaltens von Schulkindern hin zur selbstständigen Mobilität sowie zur Umsetzung einer sicheren Infrastruktur im Schulumfeld. Die Jugendverkehrsschulen als außerschulische Lernorte nach § 124a des Schulgesetzes werden in das Konzept einbezogen.
    (3) Das Konzept für schulisches Mobilitätsmanagement soll erstmalig innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des ersten Änderungsgesetzes zu diesem Gesetz aufgestellt werden. Eine Fortschreibung erfolgt nach Bedarf, spätestens alle zehn Jahre“ (vgl. MobG BE § 17a).

 

Kompetenzbereiche der Mobilitätsbildung im Ländervergleich

Anhand von Erlassen, Schulgesetzen und Rahmenlehrplänen der Bundesländer kann ein Überblick der Rahmenbedingungen erstellt werden, jedoch kein flächendeckender Stand der Umsetzung. Da die Rahmenbedingungen in den Bundesländern in unterschiedlicher Form und Ausführlichkeit festgeschrieben sind, ist ein direkter Vergleich schwierig. Mittels der verschiedenen Kompetenzbereiche können die Bundesländer annäherungsweise quantitativ verglichen werden. Hierbei geht es jedoch nicht um die absolute Anzahl, sondern um einen Überblick über die Umsetzung der KMK-Empfehlung anhand der Kompetenzbereiche. Berlin/ Brandenburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben umfangreichen Rahmenlehrplänen zum Thema Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung. Der Umfang der Rahmenlehrpläne kann jedoch nicht mit der Umsetzung gleichgesetzt werden, da Schulen in den meisten Bundesländern eigene Rahmenlehrpläne festlegen können.

Die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen führen in der Grundschule, deutlich erkennbar, noch eine sehr traditionelle Form der Bildung im Sinne der klassischen Verkehrs- und Sicherheitserziehung durch. Dafür sind diese Themen wiederum in den Erlassen und Lehrplänen stark ausdifferenziert. Im Vergleich zur Grundschule zeigt sich in der Sekundarstufe I ein stärkerer Fokus auf Mobilitätsbildende Themen, aber auch Sicherheit und Sozialverhalten. Selbstständige Mobilität ist nicht mehr so stark im Fokus, da diese vielfach in der Sekundarstufe I vorausgesetzt wird.

Grundsätzlich gibt es parallelen bezüglich des Umfangs zwischen den Jahrgangsstufen. Während für Grundschulen Verkehrserziehung und Mobilitätsbildung im Rahmenlehrplan verankert ist, fehlt die Verankerung in den meisten Bundesländern in der Sekundarstufe. Dieses Defizit kann nur in Teilen durch außerschulische Angebote und Aktionen ausgeglichen werden. Dieser Umstand ist besonders kritisch anzusehen, da das Unfallrisiko mit wachsendem Bewegungsradius und Mobilitätsmöglichkeiten steigen. Die Entfernung vom Wohnort zu weiterführenden Schulen steigt und wird zunächst zunehmend mit dem Fahrrad, später auch motorisiert mit Mofa und Auto zurückgelegt. Um das Unfallrisiko zu verringern, sollten Schulen das Thema Mobilität und Verkehrssicherheit durchgehend auf ihrer Agenda haben. Auch die Thematisierung von Gruppendynamik, Risikobereitschaft und Selbstüberschätzung sollte in den Unterricht integriert werden.