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Mobilität und Verkehr

Mobilität und Verkehr – ist das nicht sowieso das Gleiche? Mobilität klingt ein bisschen moderner und allgemein positiver, aber inhaltlich geht es doch um die gleichen Themen, oder? Nun ja, nicht ganz. Auch wenn die Begriffe in der politischen Diskussion zunehmend synonym verwendet werden, so beschreiben Mobilität und Verkehr doch durchaus unterschiedliche Phänomene. Die fachliche Definition der beiden Begriffe kommt sehr sperrig daher – „Mobilität ist die subjektive Ausprägung der Ortsveränderungsmöglichkeiten“, während Verkehr die „[…] zeitliche Ausprägung der realisierten Ortsveränderung […]“ ist (vgl. Schwedes et. al. 2018: 5) – doch der Grundgedanke wird bereits deutlich: Mobilität ist ein subjektiver Faktor, der von allen Menschen individuell wahrgenommen wird. Verkehrserzeugung ist kein Selbstzweck, Verkehr beschreibt hingegen das Ergebnis von Mobilität, in dem physisch die Position verändert wird.

Was ist Mobilität? Einige Beispiele.

Mit einem Beispiel kann die Thematik gut illustriert werden. Eine Person wohnt in einer Großstadt sechs Kilometer von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Glücklicherweise gibt es eine direkte U-Bahn-Verbindung, welche den Wohnort und den Arbeitsort in zehn Minuten verbindet. Allerdings hat weder die U-Bahn-Station vor der Haustür noch jene am Arbeitsort einen Aufzug. Wie mobil sich die Person auf dem Arbeitsweg fühlt, hängt nun ganz von den individuellen Lebensumständen ab. Als junger, körperlich fitter Mensch könnte die Verbindung zum Arbeitsplatz kaum besser sein, die Mobilität wird als hoch empfunden. Anders sieht es schon aus, wenn Knieprobleme vorliegen und das Treppensteigen zur Qual wird. Dies lässt sich zwar gegebenenfalls durch Rolltreppen umgehen, jedoch ist immer die Sorge im Hinterkopf, die Rolltreppe an der Zielstation könnte ausgefallen sein. Die Mobilität ist bereits merkbar eingeschränkt. Wenn unsere exemplarische Person nun im Rollstuhl unterwegs ist, ist die direkte U-Bahnlinie überhaupt keine Option und trägt zur individuellen Mobilität gar nichts bei. Es zeigt sich, dass Mobilität nicht objektiv gemessen werden kann, sondern für jeden Menschen anders aussieht. Dies bezieht sich nicht nur auf körperliche Eigenschaften. Auch wenn jemand neu in die Gegend gezogen ist, sich noch nicht auskennt und gar nichts von der U-Bahnverbindung weiß, so ist die persönliche Mobilität eine andere als bei einer Person, die die Stadt wie ihre Westentasche kennt. Und schließlich kommen auch individuelle Erfahrungen hinzu. Wer sich in einer dunklen, unübersichtlichen Tunnelstation einmal bedroht gefühlt hat, der meidet dieses Verkehrsmittel vielleicht, obwohl es objektiv die schnellste Möglichkeit wäre, ans Ziel zu gelangen.

All diese Themen werden durch Mobilitätsmanagement adressiert. Hierbei handelt es sich, analog zu den Grundbegriffen, um etwas fundamental anderes als Verkehrsmanagement. Daher sollen die beiden Begriffe auch nochmal kurz voneinander abgegrenzt werden, um zu verdeutlichen, worum es in diesem Online-Leitfaden geht.

Verkehrsmanagement

Verkehrsmanagement beschreibt einige klassische Maßnahmen, die genutzt werden, um den Verkehrsablauf zu verbessern. Der Ansatzpunkt liegt also bereits im Verkehrsprozess, während Mobilitätsmanagement davor ansetzt.

Bekannt ist Verkehrsmanagement vor allem für den Straßenverkehr, mit welchem auf besonders starke Belastungen zur Hauptverkehrszeit oder bei Großveranstaltungen reagiert werden soll. Beispiele hierfür sind grüne Wellen, temporäre Standstreifenfreigaben auf Autobahnen, Parkleitsysteme oder variable Beschilderungen (auf Autobahnen „Verkehrsbeeinflussungsanlagen“).

Auch im ÖPNV gibt es Verkehrsmanagement, beispielsweise durch empfohlene Umleitungsstrecken bei Störungen oder Baumaßnahmen sowie durch spontan bereitgestellte Verstärkerzüge und -busse bei Großveranstaltungen.

Mobilitätsmanagement

Verkehrsmanagement hat über viele Jahre hinweg seine Wirksamkeit bei der Steuerung des Verkehrsablaufs bewiesen, arbeitet allerdings nur an den „Symptomen“ eines zu hohen Verkehrsaufkommens. Mobilitätsmanagement stellt hingegen Werkzeuge bereit, die auf grundlegende Strukturen und Denkweisen abzielen, um die Entstehung des Verkehrs zu beeinflussen und ihn nach Möglichkeit auch zu verringern, gleichzeitig Mobilität zu erhalten und zu verbessern.

Hierzu gehören alle Maßnahmen, die den subjektiven Möglichkeitsraum der Menschen erweitern. So kann beispielsweise eine neu in eine Stadt gezogene Person durch sogenanntes Neubürger*innenmarketing über klimafreundliche Mobilitätsangebote informiert werden. Darüber hinaus kann ihr beispielsweise eine Monatskarte für den ÖPNV gratis zur Verfügung gestellt werden, um Aufmerksamkeit für dieses Verkehrssystem zu schaffen und sie somit dazu ermuntern, es für die eigenen Wegeketten in Betracht zu ziehen.

Auch Sharing-Angebote, Bürger*innenwerkstätten zum Straßenumbau oder – um auf das Beispiel der Person mit Angst vor der Benutzung des U-Bahnsystems zurückzukommen – eine verbesserte Beleuchtung, Übersichtlichkeit und Personalpräsenz an Stationen des ÖPNVs sind alles beispielhafte Maßnahmen des Mobilitätsmanagements, die je nach Bedarf und Möglichkeit zum Einsatz kommen können. Über diese und viele mehr soll dieser Leitfaden im Teilbereich 2 „Strategien und Maßnahmen“ informieren.

 

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